Dienstag, 24. Februar 2009

Revolution und Realismus: Che Part 1


Es ist am Anfang nicht leicht sich in diesen Film hinein- und in ihm zurechtzufinden. Grobkörnige, verwackelte Schwarzweiß-aufnahmen in Nah- oder Detailansicht bilden den Auftakt zu Che: Part 1. Man befindet sich im Jahr 1964 und Ernesto Che Guevara gibt in den USA ein Interview. Er wird befragt von einer amerikanischen Journalistin, seine Antworten in spanischer Sprache werden von einem Dolmetscher übersetzt.

Nach wenigen Szenen dann Orts- und Zeitwechsel, Mexiko 1955, ein Abendessen in einem bürgerlichen Haus, der junge argentinische Doktor Guevara trifft zum ersten Mal auf Fidel Castro. Doch auch dies ist nur ein kurzes Intermezzo, einige Szenen später befindet sich der Zuschauer mit Guevara und Castro auf einem Boot Richtung Kuba. Es ist das Jahr 1956.

Die grobkörnigen Schwarzweißbilder, geprägt von immer neuen Detailaufnahmen des befragten Che Guevara (natürlich mit Zigarre), gefilmt im Dokumentarstil, dienen als Rahmen der folgenden 126 Minuten. Gerade zu Beginn ertönt immer wieder die Stimme des interviewten Che aus dem Off, so wirken die Bilder der Kämpfer im Dschungel tatsächlich sehr dokumentarisch.

Nichts ist übrig von den romantischen Bildern, die man vielleicht von Che Guevara und der Revolution hatte, wenn man dieser kleinen Gruppe abgerissener Männer durch den Urwald gefolgt ist. Immer wieder gibt es Scharmützel, Verwundete, Tote. Guevara stürmt voran, hinterher versorgt er die Verwundeten. Die Revolutionäre haben kleine Einheiten gebildet, die unabhängig voneinander kooperieren, Guerillataktik eben. Ab und an taucht Fidel Castro auf, bildet neue Frontlinien und neue Einheiten und verteilt Befehle an seine Comandanten.

Sehr realistisch wird dieser Guerillakrieg von Steven Soderbergh inszeniert, die Kamera arbeitet sich den Kämpfern hinterher den Berg hinauf, sie fängt wackelnd das Hin und Her des Gefechts ein. Dazu ertönen entweder die Kommentare Che Guevaras (bzw des Dolmetschers), das laute Vogelgezwitscher des Regenwalds oder – nichts. Filmmusik ist fast keine vorhanden (bis auf wenige Trommeln und Bongas), und dies macht den Film natürlich noch realistischer: Man glaubt sich selbst im Dschungel zu befinden, hält den Atem an, doch hört nur das laute, rasselnde Atmen der Kameraden und eben die Vögel.

Ziemlich lange ist dieser verzweifelte Guerillakampf Hauptbestandteil des Films, unterbrochen von den Schwarzweißbildern des Jahres 1964, die Guevara auch als Redner vor den Vereinten Nationen zeigen.

Dann, plötzlich, scheint der Durchbruch geschafft, die Revolution ist in der Bevölkerung angekommen, es werden Städte erobert, die Revolutionäre werden gefeiert – allen voran natürlich Che Guevara.

Der Film endet mit einem Rückgriff auf den Anfang, auf jenes erste Treffen zwischen Fidel und Che 1955 in Mexiko, dann ist der erste Teil eines beeindruckenden Projekts zuende.

Benicio del Toro, der den Film auch mitproduziert hat, verleiht diesem Helden von Millionen Jugendlichen, dessen Konterfei auf Millionen Postern und T-Shirts abgebildet ist, ein sehr menschliches Antlitz. Hier wird kein Held inszeniert, wie es leicht hätte passieren können, sondern gezeigt wird ein charismatischer Anführer, ein Guerillakämpfer der weniger durch heroische Taten glänzt als durch Menschlichkeit. Das heißt nicht, dass Guevara hier als Gutmensch inszeniert wird, er gibt Befehle zu Exekutionen und tut alles, was seiner Ansicht nach getan werden muss für eine erfolgreiche Revolution. Aber dabei verfolgt er eisern ein idealistisches Ziel und das macht diese Figur so reizvoll.

Che: Part 1 ist eine würdige filmische Umsetzung der Erinnerungen Ernesto Che Guevaras, er verleiht dem holzschnittartigen Konterfei des berühmtesten Revolutionärs aller Zeiten charakterliche Tiefe und entglorifiziert gleichzeitig das Durchführen einer Revolution.


Trailer ansehen.


by TOHBIT

Sonntag, 22. Februar 2009

Besondere Momente unserer Jugend oder Der Jungbrunnen

Eine der Rubriken dieses Blogs beschäftigt sich mit besonderen Momenten mit und durch Musik, die uns, unser Leben und unsere musikalische Sozialisation maßgeblich beeinflusste. Wir stellen immer wieder wichtige Alben vor und versuchen die damaligen Gefühle aufleben zu lassen und gleichzeitig die Tonträger in einen zeitgeschichtlichen Kontext einzubinden. Wow das klingt very important! Zur Thematik passt auch dieser Gastbeitrag von Schottendisko, der sich allgemein mit dem Soundtrack unserer Jugend auseinandersetzt:

Jeder kennt das: Man geht in den Supermarkt, kommt an einem bestimmten Regal vorbei, in dem vielleicht Gewürze stehen, oder von dem gerade eine Packung Kakao heruntergefallen und aufgeplatzt ist und schon hat man diesen Geruch in der Nase. Einen Geruch, den man nur in einer Situation oder an einem Ort gerochen hat, der vor zehn Jahren mal da war und plötzlich weg, sei es bei der Oma im Süßigkeiten- und Kekseschrank oder in den Sommerferien auf der Wiese. Man verbindet seine eigenen Gefühle und Gefühlsausbrüche mit bestimmten Sinneseindrücken und die kommen dann wieder hoch. Ganz unvermittelt und oft auch ganz schön. Den Zahnarztbesuch lassen wir mal raus.
Aber noch besser klappt das mit Musik. Das kann man ein bisschen steuern. Man kann sagen: "Hey, jetzt höre ich mir doch einfach mal von Rage Against The Machine den Song "Down Rodeo" an und plötzlich ist man 14, sitzt im Zimmer seines besten Freundes und spielt Magic: The Gathering, draußen ist es frühlingshafter März und die Luft ist feucht und kühl, aber warm genug, um im Pullover auf die Straße zu gehen. Oder es ertönt von Fettes Brot "Nordish By Nature", man ist vielleicht in der fünften Klasse, erinnert sich daran, dass man andere Kinder in Mülleimer gesteckt hat oder selber hineingesteckt wurde, aber vielleicht auch von seiner ersten großen Liebe aus der Situation herausgezogen wurde.
Man erinnert sich vielleicht aber auch nur an Fernsehsendungen, in denen auf diesen Song verwiesen wurde, etwas ganz anderes aber das Thema war - und fühlt sich auch wieder so, wie damals. Mal mehr, mal weniger - oder man erinnert sich einfach an einen kompletten Lebensabschnitt. Gerade jetzt in diesem eher grauen und tristen Februar ist es doch ganz wichtig, einen kleinen Lichtblick zu bekommen. Also, schmeißt euch vor die Anlage, alle CDs und Platten und Kassetten von damals rausgeholt, vor euch chaotisch oder geordnet ausgebreitet und einfach in den großen Haufen von Tonträgern greifen, einen herausfischen, reinschmeißen und warten, was passiert. Viel Spaß mit eurer Jugend.

~ Gastbeitrag von Schottendisko ~

Samstag, 21. Februar 2009

Update: live-streams für jederman

Hier eine wunderbare Seite http://www.fabchannel.com/de auf der man sich kostenlos Konzert-Mitschnitte in richtiger guter Qualität anschauen kann. Und das auch noch vollkommen kostenlos, unglaublich! Ich sage nur ISIS, Killing Joke, My Dying Bride und This is Hell...

by MUZIKA

!SEITE IST LEIDER DOWN!...sehr schade...

Montag, 16. Februar 2009

music deathmatch


Steve von Till – The Spider Song (from the record A Grave is a grim Horse)


vs.


Say Anything – Spidersong (from the record …is a real boy)


round 1: how does the song starts?

Steve von Till: There is a spider in my dreams…

Say Anything: No more promises!


Wertung: Steve von Till geht in Führung, die titelgebende Spinne ist direkt präsent. Say Anything versprechen zwar, nichts mehr zu versprechen, aber wo ist hier die Spinne?


round 2: refrain

Steve von Till: ähmm, welcher Refrain?

Say Anything: I’m growing legs, I’m the spider, I’m the spider


Wertung: Say Anything gleichen aus, dieser Refrain geht einem Tage nicht aus dem Kopf…


round 3: atmosphere

Steve von Till: düster, melancholisch, dezent. Eine Stimme zwischen Johnny Cash und Tom Waits trifft auf Cello und sparsame Gitarrenklänge.

Say Anything: heiter, beschwingt, guter Laune-Emo as its best.


Wertung: Gegen die Erhabenheit, Weisheit und Gelassenheit von Steve von Till kommen die Jungs von Say Anything nicht an. Dennoch sind sie sowas wie die Streber aus der Emo-Schule, besserwisserisch aber auch unglaublich erfrischend und mitreißend. 2 zu 1 für Steve!


round 4: time

Steve von Till: braucht 3:25 min um alles über seinen Traum von der Spinne zu erzählen.

Say Anything: beenden 3:57 min mit diesen Zeilen

Far too stoned to leave my bed. I’ll write this song to win your kiss But stay asleep instead.


Wertung: In der Kürze liegt die Würze? Dieses Konzept gilt vielleicht für Punkrock, aber wir legen hier echte Progrockmaßstäbe an, deshalb gleichen Say Anything aus!


Gesamtwertung: Kein K.O., auch kein Punktsieg, stattdessen ein Unentschieden!

Good fight, good night!


by TOHBIT

Samstag, 14. Februar 2009

Konzertrundumschlag: Teil I - Rise Against


11.02.2009 - [Rise Against, Strike Anywhere, Rentokill] in St.Ingbert, Mechanische Werkstatt

Angekommen in St.Ingbert musste ich feststellen wie verdammt groß die Werkstatt ist. Es drängte sich sogleich die Frage auf: Kann "Punk Rock" in diesen Dimensionen funktionieren?

Zunächst gings los mit Rentokill. Die Band aus Wien machte durchaus einen sympathischen Eindruck und konnte mit politschen Texten (unter anderem zum Tschetschenien-Krieg "War In The Shadows") punkten. Lediglich der zweifache Hinweis auf das eigene Merchandising und das penetrante Betonen der BIO- und Sweatshopfreegüte wirkte ein wenig befremdlich und besserwisserisch. Musikalisch hingegen konnten Rentokill überzeugen, im Spannungsfeld zwischen Pop Punk und melodiösem Hardcore angesiedelt, konnten die Songs ihre eingängige Wirkung entfalten und es entstand fast sowas wie der erste Pogo-Pit des Abends. Für die erste Vorband gar nicht mal schlecht.

Weiter gings mit Strike Anywhere. Obwohl die Band seit 2006 kein Album mehr veröffentlicht hat, schwindet die Popularität keineswegs, wie man an den zahlreichen Shirts bemerkte. So konnte diese Band (mit dem einprägsamen und, wie ich finde, famosen Logo) schon deutlich mehr Fans mobilisieren, als ihre österreichischen Kollegen. Leider standen wir etwas weit hinten und so konnte ich zu meinem absoluten Lieblingslied "Laughter In a Police State" nur ein bisschen mitwippen, während es vor der Bühne hingegen schon ordentlich brodelte.
Insgesamt ein guter Auftritt von Strike Anywhere, deren Sänger stets einen Aktivposten auf der Bühne bildete und um Kommunikation mit dem Publikum bemüht war. Doch leider schien die Band in dieser (kolossalen) Halle etwas fehl am Platz zu sein. Bei ihrer zugegeben energiegeladenen Show waren Strike Anywhere stets mindestens drei Meter vom Publikum entfernt und so "verpuffte" die Dynamik (sowohl der Band als auch des Publikums) unter der 15 Meter hohen Decke. In kleinerem Rahmen würden die Songs sicherlich deutlich intensiver rüberkommen.

Zu guter Letzt betraten Rise Against pünktlich um 22.00 Uhr die Bühne. Vor einem riesigen "RISE" Backdrop legte die Band mit "Drones" los und im Publikum gab es kein Halten mehr, so war schnell die Hälfte der Halle ein riesiger Pogo. Der Sänger Tim McIlrath konnte auf Anhieb durch eine unglaublich gute Stimme überzeugen (vor allem durch den Wechsel zwischen Schreien und Singen) und trat auch sonst mehr als agil auf. Die Kommunikation mit dem Publikum klappte perfekt und die Leute feierten neue und alte Songs gleichermaßen ab. Daneben war Gitarrist Zach Blair der zweite Aktivposten auf der Bühne und poste ein ums andere Mal mit dem Sänger um die Wette. Das Stichwort "POSEN" bringt mich sogleich zu einer anderen Frage und zwar der vom Anfang: "Punkrock mit 5000 Menschen, geht das?"
Rise Against sind verdammt groß geworden, vor zwei Jahren noch fand das Konzert in der Saarbrücker Garage statt und diesmal war die deutlich größere Mechanische Werkstatt ausverkauft – und das seit gut zwei Monaten. So hatte ich irgendwie das Gefühl, das Ganze hätte sich ein wenig zu einer Stadionrock-Veranstaltung gewandelt! Nichts gegen die Band, bis auf ein paar unsaubere back-vocals bei "Long forgotten Sons" war die Vorstellung perfekt, aber theatralische Rockposen haben Einzug gehalten und vom "alten" Punk Rock-Spirit (falls es sowas überhaupt gibt) war nur wenig zu spüren. Hinzu kommen zwei Balladen, die am Anfang der Zugabe gespielt wurden und ebenfalls sehr in dieses Bild passten. Vielleicht täuscht mein Eindruck und anders sind Konzerte dieser Größenordnung nicht zu bestreiten – übrigens war es mein erstes großes "Punk-Konzert" überhaupt. Aber ein fahler Beigeschmack bleibt trotz dem sonst wirklich guten Konzert (und dies ist vollkommen unbestritten) einer tollen Band.

Setlist Rise Against

by MUZIKA

Sonntag, 8. Februar 2009

Besondere Momente I

Mit manchen Platten verbindet man bestimmte Erinnerungen, nicht selten prägten sie einen ganzen Lebensabschnitt.

Ein paar dieser speziellen Tonträger sollen hier
vorgestellt und gewürdigt werden.

Wenn ich das Album heute höre - was selten genug vorkommt - klingt immer noch jeder Akkord vertraut. Und diese raue Stimme, manchmal voller Wut und immer voller Emotion, gleichzeitig aber auf Deutsch, so dass man (gerade als 16jähriger!) jedes Wort mitsingen kann... Ich spreche von der Band Muff Potter und ihrem ersten Album "Bordsteinkantengeschichten".

Ich erinnere mich noch, dass ich während des Unterrichts - war es Geschichte?,
Erdkunde?, keine Ahnung - mit zwei Kumpeln die besten Platten aller Zeiten auflistete. Wie vermessen aus heutiger Sicht! Nun ja, wir einigten uns darauf, dass Muff Potters Debüt in jedem Fall unter die Top 3 gehöre...

Ein altes Schauspiel. ein Katz-und-Maus-Spiel.
Manches wird niemals normal.
Und wenn schon traurig dann richtig schaurig.
Schon das Beben ist eine Qual.
und dann der knall... (aus 100 Kilo)

Ein Knall wars wirklich, als ich das Album zum ersten Mal hörte. Es war die Zeit als ich musikalisch noch ein Suchender war, gerade anfing in den ersten VISIONS-Ausgaben zu blättern(mit ungläubigem Staunen zählte, wie viele Bands ich aus einer Ausgabe kenne - es waren gerade mal vier!) und die ersten CDs von Mitschülern auslieh.

Geht so das Ende?
Ein 100 Kilo Herz schlägt auf mich ein.
Das kann’s doch nicht gewesen sein.
Zwei taube Hände, ein 100 Kilo Herz und nur ein Bein.
Heut Nacht sterb ich für mich allein. (aus 100 Kilo)


Naja, Muff Potters "Bordsteinkantengeschichten" war nicht das Ende, es war der Anfang. Danach hörte ich mir Platten von But Alive und Boxhamsters an, später kam dann das Debüt von Turbostaat, doch enttäuscht wurde ich - mal mehr, mal weniger - von allen nachfolgenden Muff Potter Platten. Nie wieder klangen sie so frisch, so ungehobelt und so perfekt auf den Punkt.

Doch Mauern gibt's ja überall und Hochmut kommt ja vor dem Fall. (aus Los, Stop, Schade)

Ganz großes Lob verdienen natürlich die Lyrics, die für mich zu den besten deutschen Punkrock-Texten zählen, die ich kenne.

Alles was ich nicht gesagt hab, hab ich auch so gemeint! (aus Stauschau)


TOHBIT sagt: Let's pretend, happy end. > 08. Februar

Samstag, 7. Februar 2009

Jukebox Februar 2009

Einige Songs die mich gerade begleiten:

# Portishead "The Rip"
Gänsehaut pur: white horses, they would take me away

# Audrey "Horses are honest"
und wieder ein Song über horses. Klingt als würde
die Cellistin von Murder by Death plötzlich am Mikro stehen.

# Ghost of Tom Joad "Into the wild"
wie wichtig der VISIONS Sampler in dieser
musikalischen Diaspora wieder geworden ist...
der Gesang erinner an frühe Portugal.The Man!

# Moving Mountains "Lights & Shapes"
vereinigt das beste von Postrock à la Red Sparowes
mit Emo-Elementen à la Thursday / Taking Back Sunday

# Attack in Black "Hunger of the young"
woran erinnert mich dieser Refrain? Jawbreaker?
Elliot? Verdammt ich komm nicht drauf...

# Glasvegas "Geraldine"
begrüßt einen bei jedem Hören
wie ein alter Freund.

# Able Baker Fox "What doesn't kill you"
erinnert an späte Hot Water Music,
hätte auch bei den Platten des Jahres dabei sein können.

# The Black Keys "Lies"
klingt wie ein Song den man schon ewig kennt,
vielleicht aus Vaters Plattenschrank. Zeitlos!

# Get Well Soon "Christmas in Adventure Parks"
Bright Eyes wären zu "Lifted" Zeiten stolz auf diesen
Song gewesen. Noch so ein Kandidat der die
Jahrescharts knapp verpasst hat.


/// TOHBIT am 07. Februar \\\

Mittwoch, 4. Februar 2009

Glasvegas *** Hey fucking go!


Zugegeben: ich war skeptisch. Seichter Indie-Rock/Pop aus UK, supported vom NME? Ohjee. Die Motivation, sich Glasvegas vor dem Konzert anzuhören war deshalb auch nicht allzu groß. Ich tats trotzdem, mehr der Vollständigkeit halber als aus echtem Interesse. Und wurde positiv überrascht. Das hier hat nicht viel gemein mit dem zeitgemäßen Mix aus Indie und Elektro, der mit aller Macht versucht, tanzbar und stylish zu sein und dabei oft nur beliebig klingt.

“Wenige Bands haben es in den letzten Jahren geschafft, gleich auf ihrem Debüt so bestimmt und unverwechselbar zu klingen wie diese.” Diese Feststellung Dennis Plauks im Magazin VISIONS stimmt genau. Glasvegas sind nicht tanzbar, nicht schrill, nicht elektro oder disco. Ihre Songs sind langsam, atmosphärisch und düster und werden geprägt von der Stimme James Allans (inklusive schottischem Akzent). Wie reagiert ein Publikum auf solche Songs? Ein Publikum von etwa 2500 Schotten in Feierlaune, das vorher von Friendly Fires eingeheizt wurde – einer Band, die das oben kritisierte Schema von Tanzbarkeit und Style eins zu eins erfüllt und dabei dennoch eine gute Figur macht.

Glasvegas’ Auftritt ist ein Triumph. Sie headlinen mit nur einem Album im Gepäck (in UK bereits seit September 2008 zu haben, in Deutschland erst seit Ende Januar 2009) die NME Awards Tour und genießen hier in Glasgow natürlich Heimvorteil. Glasvegas sind waschechte Glasgower, aufgewachsen in East Glasgow, einer ziemlich miesen Gegend und Betonwüste, nur unweit von der O2 Academy. Ganz in schwarz gekleidet betreten sie die Bühne und beginnen gleich mit einem ihrer besten Songs, Geraldine. Die Fans feiern die Band wie ein Fußballteam immer wieder mit Sprechchören Hey, hey – hey fucking go! und sind auch sonst ein freundliches Publikum, sie klopfen sich auf die Schultern, liegen sich in den Armen – und singen fleißig mit. Dabei ist eine innige Verbundenheit der Band mit ihrer Heimatstadt nicht unbedingt direkt zu erkennen: Es gibt kaum Ansagen zwischendurch, schon gar kein Glasgow, how are you doing? Nur ab und an ein gemurmeltes Thanks von Frontmann James Allen, der die Sonnenbrille erst gegen Ende des Gigs ablegt.

Doch die karge Kommunikation passt schließlich zu dieser Band, die anders ist als viele ihrer Kollegen, so ist etwa das Schlagzeugspiel von Drummerin Caroline McKay (übrigens stehend wie Bela B.) überaus minimalistisch und alles andere als tight und rockend.
Weitere Highlights in der Setliste sind Go Square Go – aus vielen hundert schottischen Kehlen ertönt Here we fucking go! – und natürlich Daddy’s Gone. Ein stimmungsvoller Auftritt ist nach ca. 50 Minuten zuende. “They could end up being the biggest band in the world after watching last night. They are that good, it was that emotional.” Diese Aussage von ihrem Entdecker Alan McGee muss zwar nicht unbedingt zutreffen, aber Glasvegas sind definitiv eine besondere Band auf dem Weg zum Erfolg (gespannt sein darf man auf das zweite Album). In einem hat McGee in meinen Augen absolut recht: This City [Glasgow] breathes Rock’n’Roll!

von TOHBIT 04/02/09

Dienstag, 3. Februar 2009

Benes beste Konzertmomente 2008

was war 2008 eigentlich konzertmäßig los? ich habe mal versucht ein best of zu erstellen (ich mag ja listen):

12. Neurosis ~20. August ~ Essigfabrik Köln



11. Down ~12. Juli ~ Live Music Hall Köln














10. Saalschutz / Egotronic ~ 29. Januar ~ Garage Saarbrücken


9. Converge / Coliseum ~ 20. Juli ~ Exhaus Trier


8. Bubonix ~ 5. Juni ~ Circus Maximus Koblenz














7. Isis ~ 27. April ~ L'autre canal Nancy


















6. Egotronic ~ 22. Dezember ~ Balkensaal/Exhaus Trier


5. Explosions in the Sky ~ 22. Mai ~ Karlstorbahnhof Heidelberg














4. These Arms are Snakes / Russian Circles ~ 20. November ~ The Star & Garter Manchester


















3. The Mars Volta ~ 24. Februar ~ Huxleys Berlin


2. Dredg ~ 3. September ~ Gloria Köln














1. Baroness / Kylesa ~ 6. Februar ~ Garage Saarbrücken













*** thanks to: Fotografin barbarella

Revolutionary Road


Dies ist ein Musik Blog und das soll auch so bleiben, aber ich habe gestern einen beeindruckenden Film gesehen und gleich ein Review dazu verfasst - and here you are:

Eine WG-Party in den USA Anfang der fünfziger Jahre. Junger Mann trifft junge Frau, die beiden tanzen miteinander – die Geschichte beginnt gewöhnlich und klingt altbekannt. Doch es geht ungewöhnlich und spannend (wenn auch nicht im üblichen Sinne) weiter, dies wird schon in der nächsten Sequenz deutlich. Es wird nämlich ein großer Zeitsprung unternommen, die beiden sind längst verheiratet und haben zwei Kinder. Ohne die dazwischenliegende Zeitspanne des Verliebtseins, der folgenden Dates, der Hochzeit zu zeigen, wird so dennoch deutlich: Dieses Paar besitzt eine Geschichte, eine Vergangenheit. Erst nach diesem langen Hook wird der Titel des Kinofilms eingeblendet.

Doch Revolutionary Road nimmt auch danach lange keine Fahrt auf, kontinuierlich und mit viel Zeit für seine Charaktere erzählt er seine Geschichte. Wie sich der Alltag in die Ehe zwischen Frank und April einschleicht. Wie sie ihre Ziele und Träume verlieren. Wie sie gefangen sind in einem kleinbürgerlichen amerikanischen Vorstadtspießertum.

Die Kamera folgt den Beiden dabei unaufdringlich in sehr private zwischenmenschliche Situationen, auch Sexszenen natürlich, aber das ist ja nicht neu und macht auch nicht den Reiz dieses Films aus. Vielmehr hat man als Zuschauer das Gefühl, die intimen Dialoge, Zwistigkeiten und theatralischen Streitigkeiten des jungen Paares ganz nah mitzuerleben, beinahe wie in einer Dokumentation, aber eigentlich sogar noch sehr viel realer – trotz aller Dramatik. Regisseur Sam Mendes erschafft hier eine Scheinrealität, die realer und authentischer wirkt als alle Reality-Dokudramen. Damit ist ihm ein Stück postmodernes Kino gelungen, spricht doch der französische Medientheoretiker und Philosoph Jean Baudrillard von der Hyperrealität als Kennzeichen der Postmoderne.

Davon abgesehen ist Revolutionary Road aber sehr traditionelles, gar altmodisches Kino. Es gibt keine Spezialeffekte, keine Explosionen, keine Computeranimationen, nur die Leistung der Schauspieler. Und diese ist ganz hervorragend, ohne jede peinliche Berührtheit kann man hier die Wiedervereinigung des Kinotraumpaares Leonardo di Caprio und Kate Winslet miterleben.
Di Caprio konnte sein Screen Image seit Titanic deutlich ändern und zeigt hier erneut, warum ihm die Verwandlung vom Teenie-Schwarm zum außerordentlichen Schauspieler gelungen ist.
Gar übertroffen wird er von Leinwandpartnerin Winslet, die gleichzeitig bezaubernd und gewöhnlich daherkommt und so ein höchstes Maß an Authentizität auf die Leinwand bringt. Sie wirkt nicht wie einer der Hollywoodstars, denen man auch in verzweifelten, dramatischen Szenen oftmals das glamouröse Stardasein anzusehen glaubt.
Auch die Nebendarsteller verleihen ihren Charakteren Tiefe, vor allem John (Michael Shannon) ist wunderbar in seiner Verrücktheit und gnadenlosen Ehrlichkeit.

Warum ist dieser Film nun solch ein Erlebnis, warum hinterlässt er den Rezipienten mit diesem Gefühl von Überwältigung, dass nur besondere Filme hervorrufen? Zunächst einmal findet man sich leicht wieder in den Charakteren. Jeder kennt das Gefühl, sich für special zu halten und dann feststellen zu müssen, dass man es vielleicht doch nicht ist. Ganz so geht es auch Frank und April. Man versteht den Zwiespalt Franks, sich zwischen einer plötzlichen Karrierechance und einem verrückten Liebesbeweis für seine Frau, dem Umzug nach Paris, entscheiden zu müssen. Eindringlich wird dem Zuschauer auch das Biedermeiertum der Fünfziger vorgeführt, mit den vielen Pendlern, die jeden Morgen aus den Vororten in die Stadt fahren, eine gesichtslose Masse, entfremdet von ihrer Arbeit.

Es geht also um große Themen, um den Versuch des Ausbrechens aus kleinbürgerlicher Hölle, um die Suche nach dem Sinn des Lebens. Und natürlich geht es um die Liebe zwischen zwei Menschen, die sich trotz oder gerade weil sie sich lieben, verletzen. Die spannende Frage im Verlauf der Handlung ist: Sind die seelischen Verletzungen am Ende so groß, dass keine Versöhnung mehr möglich ist?

von TOHBIT 03/02/09