Dienstag, 3. Februar 2009

Revolutionary Road


Dies ist ein Musik Blog und das soll auch so bleiben, aber ich habe gestern einen beeindruckenden Film gesehen und gleich ein Review dazu verfasst - and here you are:

Eine WG-Party in den USA Anfang der fünfziger Jahre. Junger Mann trifft junge Frau, die beiden tanzen miteinander – die Geschichte beginnt gewöhnlich und klingt altbekannt. Doch es geht ungewöhnlich und spannend (wenn auch nicht im üblichen Sinne) weiter, dies wird schon in der nächsten Sequenz deutlich. Es wird nämlich ein großer Zeitsprung unternommen, die beiden sind längst verheiratet und haben zwei Kinder. Ohne die dazwischenliegende Zeitspanne des Verliebtseins, der folgenden Dates, der Hochzeit zu zeigen, wird so dennoch deutlich: Dieses Paar besitzt eine Geschichte, eine Vergangenheit. Erst nach diesem langen Hook wird der Titel des Kinofilms eingeblendet.

Doch Revolutionary Road nimmt auch danach lange keine Fahrt auf, kontinuierlich und mit viel Zeit für seine Charaktere erzählt er seine Geschichte. Wie sich der Alltag in die Ehe zwischen Frank und April einschleicht. Wie sie ihre Ziele und Träume verlieren. Wie sie gefangen sind in einem kleinbürgerlichen amerikanischen Vorstadtspießertum.

Die Kamera folgt den Beiden dabei unaufdringlich in sehr private zwischenmenschliche Situationen, auch Sexszenen natürlich, aber das ist ja nicht neu und macht auch nicht den Reiz dieses Films aus. Vielmehr hat man als Zuschauer das Gefühl, die intimen Dialoge, Zwistigkeiten und theatralischen Streitigkeiten des jungen Paares ganz nah mitzuerleben, beinahe wie in einer Dokumentation, aber eigentlich sogar noch sehr viel realer – trotz aller Dramatik. Regisseur Sam Mendes erschafft hier eine Scheinrealität, die realer und authentischer wirkt als alle Reality-Dokudramen. Damit ist ihm ein Stück postmodernes Kino gelungen, spricht doch der französische Medientheoretiker und Philosoph Jean Baudrillard von der Hyperrealität als Kennzeichen der Postmoderne.

Davon abgesehen ist Revolutionary Road aber sehr traditionelles, gar altmodisches Kino. Es gibt keine Spezialeffekte, keine Explosionen, keine Computeranimationen, nur die Leistung der Schauspieler. Und diese ist ganz hervorragend, ohne jede peinliche Berührtheit kann man hier die Wiedervereinigung des Kinotraumpaares Leonardo di Caprio und Kate Winslet miterleben.
Di Caprio konnte sein Screen Image seit Titanic deutlich ändern und zeigt hier erneut, warum ihm die Verwandlung vom Teenie-Schwarm zum außerordentlichen Schauspieler gelungen ist.
Gar übertroffen wird er von Leinwandpartnerin Winslet, die gleichzeitig bezaubernd und gewöhnlich daherkommt und so ein höchstes Maß an Authentizität auf die Leinwand bringt. Sie wirkt nicht wie einer der Hollywoodstars, denen man auch in verzweifelten, dramatischen Szenen oftmals das glamouröse Stardasein anzusehen glaubt.
Auch die Nebendarsteller verleihen ihren Charakteren Tiefe, vor allem John (Michael Shannon) ist wunderbar in seiner Verrücktheit und gnadenlosen Ehrlichkeit.

Warum ist dieser Film nun solch ein Erlebnis, warum hinterlässt er den Rezipienten mit diesem Gefühl von Überwältigung, dass nur besondere Filme hervorrufen? Zunächst einmal findet man sich leicht wieder in den Charakteren. Jeder kennt das Gefühl, sich für special zu halten und dann feststellen zu müssen, dass man es vielleicht doch nicht ist. Ganz so geht es auch Frank und April. Man versteht den Zwiespalt Franks, sich zwischen einer plötzlichen Karrierechance und einem verrückten Liebesbeweis für seine Frau, dem Umzug nach Paris, entscheiden zu müssen. Eindringlich wird dem Zuschauer auch das Biedermeiertum der Fünfziger vorgeführt, mit den vielen Pendlern, die jeden Morgen aus den Vororten in die Stadt fahren, eine gesichtslose Masse, entfremdet von ihrer Arbeit.

Es geht also um große Themen, um den Versuch des Ausbrechens aus kleinbürgerlicher Hölle, um die Suche nach dem Sinn des Lebens. Und natürlich geht es um die Liebe zwischen zwei Menschen, die sich trotz oder gerade weil sie sich lieben, verletzen. Die spannende Frage im Verlauf der Handlung ist: Sind die seelischen Verletzungen am Ende so groß, dass keine Versöhnung mehr möglich ist?

von TOHBIT 03/02/09

1 Kommentar:

  1. sehr informativ. der schluss mit der rhetorischen frage gefällt mir sehr gut und man merkt, dass Sie sich intensiv mit dem film beschäftigt haben. dieses review ist ausführlich und strukturiert geschrieben. man wird regelrecht dazu verführt, sich diesen film im kino anzuschauen. ich hoffe, wir können bald wieder etwas von Ihnen hören, diesmal bitte über ein thema, das mit musik zusammenhängt - ich bin gespannt.

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