Montag, 16. März 2009

Besondere Momente II

Erinnert sich noch jemand an eine Zeit ohne CD- oder gar DVD-Brenner, ohne CD-Rohlinge an jeder Supermarktkasse und hunderte Download-Portale im Web?

Zu einer Zeit, als diese Errungenschaften der Technik begannen, die Musikindustrie immer tiefer in die Krise zu stürzen, habe ich mir von einem Kumpel in der Schule zum ersten Mal eine CD ausgeliehen (ja, damals hat man noch CDs verliehen und nicht gleich nen MemoryStick oder Downloadlink). Gerade begann ich mich für härtere Musik zu interessieren, hatte mir als ersten Tonträger überhaupt Nirvanas From the Muddy Banks of the Wishkah gekauft (damals bei Promarkt, wie uncool), nun hielt ich sie in Händen: Ein Cover in Gelb und Orange, links so etwas wie der Kopf eines trojanischen Pferdes. Und wie aus dem Hinterhalt, wie dem trojanischen Pferd entstiegen, überfällt mich auch die Musik: Mit einem leisen Rasseln geht’s los, dann eine verzerrte, psychedelische Gitarre, ein kurzes Break, ein Tempowechsel, dann volle Energie, Wucht, Wut, Verzweiflung, Hingabe, gepaart mit den ersten Zeilen:

I must have read a thousand faces
I must have robbed them of their cause
sickened thirst, sickened thirst
keeps it together
soft white glow in the craniu
m
a bulls eye made sedated.


Die Rede ist, ich hoffe ihr habts längst bemerkt, von at the drive-in und ihrem Meisterwerk Relationship of Command. Oft fragt man sich ja bei solchen Meilensteinen der Musikgeschichte, wie es etwa auch Refused’s The Shape of Punk to Come oder Rage against the Machine’s selbstbetiteltes Debüt sind, wie man beim ersten Hören darauf reagiert hat. War man am Anfang skeptisch? Hat das Meisterwerk vielleicht gar verkannt? Nun, bei at the drive-in war ich vom ersten Hören weg fasziniert und schlichtweg umgehauen.

Gleich am nächsten Schultag fragte ich den Besitzer der CD, ob ich mir das Album brennen dürfe (ja, sowas hat man zu der Zeit noch gefragt!). Nach seiner Zustimmung bin ich zu einem Nachbarn gegangen, um die CD dort zu brennen, einen eigenen Brenner besaßen wir damals nicht – dafür einen Scanner, deshalb wurden Cover und Inlay kopiert und ausgedruckt.

Später habe ich mir als echter Fan in London (Klassenfahrt!) das Original auf Vinyl gekauft, auf eben jener Klassenfahrt haben wir im Bus dann auch die älteren Tonträger der Band gehört und „analysiert“.

Relationship of Command bietet so viele unvergessliche, eben bewegende Momente: Natürlich gibt es die Hitsingle One armed scissor (auf die die Band heute leider mehr und mehr reduziert wird, wie törricht!!!), es gibt politische Songs wie Invalid Litter Dept. (dancing on the corpses ashes…), deren Botschaft auch durch großartige Videos unterstützt wird, es gibt den Erpresseranruf von Iggy Pop zu Beginn von Enfilade...

Eine Tragödie – gerade auch für mich persönlich – war dann das Ende der Band: Ich hatte mich wie so viele um Tickets für die Europa-Tour bemüht, wollte die Band in Frankfurt live sehen; es wäre mein allererstes „richtiges“ Konzert gewesen. Ich hatte sogar meinen Vater überredet mitzukommen, als Fahrer gewissermaßen. Das Konzert war aber wie so viele dieser Tour restlos ausverkauft, die Band hatte ihren Bekanntheitsgrad unterschätzt und viel zu kleine Venues gebucht… die Tour wurde nie beendet, stattdessen lösten sich at the drive-in 2001 auf.


by TOHBIT

1 Kommentar:

  1. Also ich finde nicht, dass es schlimm war, dass sich ATD-I aufgelöst haben... Traurig ja, aber sonst wären niemals Mars Volta entstanden und Sparta hätten nicht so ein unsagbar gutes letztes Album aufgenommen. Es ist wie bei Kyuss. Aus einem großartigen entstehen weitere unglaublich tolle Sachen.

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